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Book Review

Swingtime in Deutschland by Stephan Wuthe (2012)

A gathering of youngsters and young adults in any public sphere where people meet, share gossip, play music and maybe dance a little would stir nobody’s attention these days, that is for sure.
However, daring just that could have gotten you in big trouble, if you were doing it in Germany, say around the late 1930s. Swing music, liberal attitudes, and the very outlandish way of dressing and dancing was not only unwelcome back then, it was prohibited. Fans of swing music who were looked upon as rather “uncontrollable” free spirits meant a threat to the totalitarian Nazi regime.

Being caught in the act of swing dancing, or in possession of swing shellacs (that featured the “wild negro noise,” to mention one of the many phrases of the regime) could mean immediate trial and sentence to labor camp, jail, concentration camp or later straight deportation to the front lines.
Author Stephan Wuthe, a shellac collector and swing DJ from Berlin, gathered many details of the average swing fan’s life during the dark days of the Nazi reign in Germany. Here we learn the many absurd tactics of the German secret police to find and punish any potential threats to the system itself by laying traps and trying to infiltrate the swing lovers, called “Swing Heinis” or “Swing Jugend” by the police force in a disparaging way.

And there is more to Wuthe’s book, like the analysis of many dance “manuals”: how to dance jive, rumba, milonga, swing and other styles, which were totally alien to German dance culture in the 1940s. And it becomes obvious, that even before the Nazis took over the German audience was rather skeptical about these exotic styles since, already then,  they seemed to oppose the nature of dance in Europe as such.
Furthermore, Wuthe enlarges on the cultural environment during and after WWII in Germany’s large cities, hereby concentrating on Berlin and its once vast range of clubs, restaurants, theaters and ballrooms, or the “Tanzpalast,” as it was called in Germany referring to a giant entertaining venue, similar to a Las Vegas casino.

Hence “Swingtime in Deutschland” also provides a sort of night life guide for days long past, considering all the venues mentioned here it whould be easy to draw a map of 1940s Berlin and plan virtual tours to legendary locations like the Delphi Palast, the Titania, Admiralspalast or many other ballrooms, most of them now vanished due to bomber attacks, fire or just urban management.
So after finishing “Swingtime,” it becomes obvious that already in 1930s Germany the love for American jazz music was connected forever with the idea of freedom, self-determination and the freedom of self-expression. And for the enthusiasts, it was worth the risk of jail or labor camp; in a way, it was the swing lovers’ way of guerrilla warfare to undermine the Nazi regime in the German cities. The final chapters of the book are devoted to swing culture in Germnay roughly until today mentioning revivals, German musicians and venues and hence coming full circle while referring to the origins and their courageous fans.

Review by Dr. A. Ebert (c) 2012

Stephan Wuthe. Swingtime in Deutschland. (This book is written in German) Transit Verlag, 2012, 152 pages, 96 Illustrations.

Here is the (longer and more detailed) review in German. You can also find it here, on the taz (tageszeitung) website.

 

“Swing in der NS-Zeit”
Tanz statt Gleichschritt

Der Schellack-DJ Stephan Wuthe schildert in seinem Buch den Alltag von Swing-Fans während der Nazi-Diktatur. Die Musik war dem Regime von Anfang an suspekt.

Von Alexander Ebert

An heißen Sommertagen im öffentlichen Raum auf kleine Gruppen Jugendlicher zu stoßen, die sich die neueste Musik vorspielen und ungezwungen dazu tanzen – heute mag so ein Bild alltäglich erscheinen, in der Nazizeit war dies ein lebensgefährliches Abenteuer. In „Swingtime“ schildert der Schellack-DJ Stephan Wuthe den Alltag meist junger Menschen, die sich zwischen 1933 und 1945 der verpönten Swingmusik verschrieben hatten und dafür Razzien, Verhaftungen und Denunziationen riskierten.
Wuthes Buch fördert viele individuelle Geschichten zu Tage, die vor allem das Überleben einer speziellen freiheitlichen Idee dokumentieren und sich in der Liebe zum Jazz und zum Tanz manifestierten. Denn Swing war von Anfang an freigeistige und befreiende Tanzmusik und deshalb dem Nazi-Regime suspekt.
Nicht wenige der Musikfans, im Anklang an die HJ als „Swing-Jugend“, oder abfällig als „Swing-Heinis“ bezeichnet, bezahlten ihre Leidenschaft später mit bizarren Spionageanklagen vor NS-Gerichten und fanden sich im Gefängnis wieder oder sogar im KZ. Der Swingsammler Günter Discher und der Jazzgitarrist Coco Schumann überlebten letzteres Schicksal glücklicherweise, viele andere nicht. Von Schumann stammt auch das bedeutende Zitat: „Wer den Swing in sich hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren.“
Anhand von Interviews, zeitgenössischen Reportagen und Tanzanleitungen, schildert Wuthe die Ratlosigkeit und generelle Ablehnung der neuen Musikrichtung beim deutschen Publikum schon vor 1933.
Er widmet sich auch der Rolle der damals neuen Medien: Swing auf Schallplatte, im Spielfilm und im sogenannten „Feind“-Radiosender. Wir erfahren so von absurden Versuchen der Nazi-Behörden, etwa ausländische Filme mit Swingeinlagen durch Rezensionsverbot totzuschweigen, dann jedoch die deutschen Versionen dieser Songs nicht zu erkennen und zu billigen.
Erfreulicherweise schlüpften auch viele im Ausland lebende jüdische Künstler und ihre Kompositionen durch das Netz der Zensur und konnten zumindest eine Zeit lang weiter beworben, verkauft, gesendet und aufgeführt werden. Es waren vor allem die Tanz-, Schlager- und Revuefilme, aus denen die Swingfans ihre Inspiration für die eigene Garderobe bezogen; und die seltenen, innig herbeigesehnten kurzen Tanzszenen, oft einziger Anhaltspunkt für die „richtige“ Art zu tanzen.
Die Geschichte des Swing wird parallel zur Geschichte der Hauptstadt-Unterhaltungskultur bis in die Nachkriegszeit erzählt und es wird intensiv auf Stars aus der Schlager-, Film-, und traditionellen Tanzorchester-Szene eingegangen. So finden sich im Buch neben bekannten Namen wie Louis Armstrong, Paul Whiteman und Josephine Baker viele unbekannte ungarische, deutsche, österreichische und tschechische Musiker.
Einige der beliebtesten Spielorte der Swingmusiker in Berlin, etwa der Admiralspalast, blieben vom Krieg verschont. Von legendären Auftritten in anderen, durch Luftangriff, Abriss oder Umfunktionierung verschwundenen Tanzsälen (Delphi Palast, Nelson Theater) berichtet „Swingtime“ ebenfalls.
Es entsteht nicht der Eindruck, dass die Swingfans der 1930er-und 1940er-Jahre keine anderen Sorgen gehabt hätten, als die aktuellste Tanzaufnahme zu erstehen: Doch war auch in diesem „kleinen“ und subtilen Bekenntnis zum Jazz, zum Swing, das Streben nach Freiheit, Individualität und Opposition sehr deutlich.
Wuthes Chronik setzt sich fort bis in die 1990er-Jahre und das große internationale Swing-Revival. Auf der Suche nach den Ursachen dieses neuen Interesses hierzulande ist sein Buch eine Fundgrube.

Stephan Wuthe. Swingtime in Deutschland. Transit Verlag, Berlin 2012, 152 S., 96 Abbildungen, 16,80 Euro.