JIVE-TALK.COM

Jazz Fiction, Jazz Research – Musing on JAZZ and Related Topics, Popular Culture and Jazz in the Movies

Abstract

The contents and suggestions of this website are the result of a Ph. D. thesis research that led to the publication of the book “Jazz und seine Musiker im Roman” (Jazz and its Musicians in the Novel”).
It was published in 2009 in Germany by Verlag Dr. Kovac, Hamburg. (The cover picture – Portrait of Joe Thomas and Eddie Wilcox – was shot by William P. Gottlieb and is copyrighted by Jazzphotos).

 

The dissertation was designed to identify and explain various aspects of jazz in terms of their usage and function in literature. One main aspect was Albert Murray’s theory (or design) of the so-called “blues idiom,” a powerful and universal approach to life, language, interpretation and individual expression.

The study uses aspects of classical and recent approaches to culture, music and orality to identify various strategies in seven novels which are discussed in detail, always aiming at their usage of jazz, be it as language, structure, or simply by electing a jazz character (musician or acting-like-a-musician) as the protagonist.

 

 

Contents of the study and excerpt:
1. Einleitung 9
1.1. Einführung in den historischen und sozialen Kontext 29
1.2. Albert Murrays „blues idiom“-Theorie 49
1.3. Der Jazzroman: Definitionsversuch und Stand der  Forschung 59
2. Konzepte afroamerikanischer vernacular-Formen 67
2.1. Jazz: System von Tradition, Wiederholung und  Individualität 80
2.2. Präsentationsformen des vernacular 91
3. Frühe Formen des Jazzromans 99
3.1. James Weldon Johnsons Identitätsdilemma 99
3.2. F. Scott Fitzgeralds Jazz 104
4. Facetten des Jazz in der Interpretation der Beats 109
5. Annäherung an die Primärtexte 125
5.1. Die problematische Kanonisierung des Jazz 137
6. Formen der Jazzästhetik in den Primärtexten 143
6.1. Langston Hughes: Not Without Laughter (1930) 143
6.2. Dorothy Baker: Young Man with a Horn (1938) 153
6.3. Ralph Ellison: Invisible Man (1952) 162
6.4. James Baldwin: „Sonny’s Blues“ (1957) 196
6.5. John Clellon Holmes: The Horn (1958) 209
6.6. Albert Murray: Train Whistle Guitar (1974) 227
6.7. Michael Ondaatje: Coming Through Slaughter (1976) 237
6.8. Toni Morrison: Jazz (1992) 252
7. Zusammenfassung und Ergebnisse 271
8. Literaturverzeichnis 285
8.1. Annex (Weitere Jazzromane in Auswahl) 324

Introduction  (excerpt)

1

Als Protagonisten der Moderne sind der Jazz und seine Musiker nicht aus der US-amerikanischen Kultur wegzudenken. Anhand der prägenden Rolle, die sie in den USA seit Beginn des 20. Jahrhunderts gespielt haben, lässt sich der immense Einfluss verdeutlichen, den afroamerikanische Ausdrucksformen und ihre Ästhetik auf dem Wege der Kunst auf viele Bereiche der Hegemonialkultur genommen haben.

Dieser Einfluss lässt sich nicht auf einzelne, etwa politische, soziale, ästhetische oder ethnische Gesichtspunkte reduzieren, sondern er ist in einer Kombination dieser Aspekte auszumachen, personifiziert durch den afroamerikanischen Künstler bzw. ebendiesen Künstler als Jazzmusiker.
Die Figur des Künstlers im Allgemeinen wird in einem Großteil der Literatur des 20. Jahrhunderts als Verkörperung des gesellschaftlichen Außenseitertums schlechthin verwendet. Diese Figur erhält durch ihre Verortung in einem von afroamerikanischer Kultur geprägtem Umfeld eine besondere Bedeutung.
Daher trifft für den fiktiven amerikanischen Jazzmusiker die Diagnose Richard N. Alberts zu: „Jazz fiction is uniquely American, and the jazz musician, its central character, is frequently a distinctively American example of alienated man: the artist as rebel.“
Der fiktive Künstler, in der vorliegenden Arbeit eingegrenzt auf den Musiker im sogenannten Jazzroman, der als Darbietender von Jazz (und Blues) in Erscheinung tritt, bedient sich im Roman spezifischer Mitteilungs-Codes bzw. er greift auf genuin afroamerikanische Kommunikationsmechanismen zurück. Ebenso haben diese Mechanismen Einfluss auf die Form und Organisationsweise der Texte selbst.

Der fiktive Jazzmusiker fungiert auf einer kollektiven Ebene als Repräsentant einer Minoritätenkultur. Zugleich entstammt auch seine Formensprache dieser Minorität, deren Produkte großen Einfluss auf die gesamte amerikanische Kultur hatten. Dies ist anhand der Verwendung afroamerikanischer Kommunikationsformen und der sie begleitenden Ästhetik belegbar, die sich unter den sozialen Bedingungen in den USA im Verlauf von rund 400 Jahren entwickelte, und die somit als „amerikanisch“ und gleichzeitig als Ausdruck einer Subkultur beschrieben werden kann.

Diese Kommunikationsformen sind Resultat der stark eingeschränkten Entfaltungsmöglichkeiten für das aus Afrika nach Nordamerika verschleppte Individuum. Jene Freiräume verlagerten sich in künstlerische Bereiche (Musik und Tanz) und in die Ausübung religiöser Praktiken; letztlich Aspekte, die sich der Kontrolle der weißen Sklavenhalter größtenteils entzogen. Ralph Ellison formuliert diese Erkenntnis folgendermaßen:

A slave was, to the extent that he was a musician, one who expressed himself in music, a man who realized himself in the world of sound. This, while he might stand in awe before the superior technical ability of a white musician, and while he was forced to recognize a superior social status, he would never feel awed before the music which the technique of the white musician made available. His attitude as “musician” would lead him to seek to possess the music expressed through the technique, but until he could do so he would hum, whistle, sing or play the tunes to the best of his ability on any available instrument. […] For the art – the blues, the spirituals, the jazz, the dance – was what we [the Afro-Americans] had in place of freedom .

Jazz als exaltierter Ausdruck dieser afroamerikanischen Ästhetik und der fiktive Jazzmusiker als Projektion derselben können daher nur im Zusammenhang mit ihrer soziokulturellen Geschichte beschrieben und analysiert werden. Gleichermaßen entstand mit und durch den Jazz eine Form von sich selbst generierender „Jazz-Folklore“.
[…] [J]azz was the first popular style to generate a full fledged art world with a community of critics, articulate musicians, and avid readers producing an unprecedented popular music discourse in books, magazines, newspapers, and mimeographs.

Insofern ist der Jazz mehr als lediglich ein Ausdruck der Ästhetik einer ethnischen Minderheit. Vielmehr formierte sich unter seinem Einfluss eine ganze Kultur, um nicht zu sagen: „[J]azz is not only a music to define, it is a culture.“